Jubiläumsanlass zum Zionistenkongress: Kritiker machen mobil, aber Israel bietet mehr als nur Brennpunktthemen
Der Jubiläumsanlass Ende August zum 125. Jahrestag des Zionistenkongresses in Basel gibt viel zu reden. Besonders die Diskussionen um die geplanten Demonstrationen und Störmanöver und das benötigte Sicherheitsdispositiv sorgen im Vorfeld für Aufregung. Dass dieser Anlass so viel Aufmerksamkeit erregt, überrascht nicht. Denn Israel ist vor allem als politisches Gebilde im Fokus der Weltöffentlichkeit. Wir schauen aber ganz unpolitisch hinter die Kulissen des in vielerlei Hinsicht erfolgreichen Landes.
Ende August 2022 wird in der Region Basel eine Menge los sein. Unter anderem findet in Pratteln das ESAF (Eidg. Schwing- und Älplerfest) statt. Am Sonntag, 28. August 2022 geht aber auch die erste Veranstaltung zum 125. Jubiläum des ersten Zionistenkongresse in Form einer Tagung im Congress Center über die Bühne. Der eigentliche Jubiläumsanlass wird am Montag, 29. August 2022 im Stadtcasino gefeiert. Der Grund: Der Erste Zionistenkongress fand Ende August 1897 im Stadtcasino in Basel statt und ist ein Ereignis von welthistorischer Bedeutung. Im damals verabschiedeten «Baseler Programm» wurde der Wille festgehalten, dem jüdischen Volk eine «öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte» zu schaffen. Aber es ist auch zu erwarten, dass einige Gruppierungen diesen Anlass stören wollen und mit Kundgebungen die Folgen des Zionismus› und somit auch die Existenz des Staates Israel kritisieren, ihn verdammen und diesem sogar das Existenzrecht absprechen.
Innovation als Mission
So denken viele, wenn Israel erwähnt wird, an politische oder religiöse Spannungen, an die aktuellen News oder an Jerusalem. Aber jene, die sich genauer mit Israel und mit der Gesellschaft vor Ort beschäftigen, werden das Land und die Startup-Metropole Tel Aviv sofort mit den Begriffen Innovation, Technologie und Unternehmertum und Diversität in Verbindung bringen oder als Party-Hotspot bezeichnen. Israel ist nämlich, gemessen an der Bevölkerungszahl, im innovativen Sinne das statistisch dynamischste und erfolgreichste Land der Welt. Warum ist das so? Aus der ganzen Welt strömen intelligente Köpfe ins Mittelmeerland. Israel ist ein Top-Testmarkt für innovative Produkte und Dienstleistungen. Das Startup- und Technologie-Wunderland wird weltweit als «Silicon Wadi» bezeichnet und gilt gemeinsam mit dem Silicon Valley als der weltweit grösste Hotspot, was die Innovationsdichte und -intensität betrifft.
Hier wurden mehrere hundert Innovationen entwickelt, die jede/r von uns kennt: Die Intel-Prozessoren, der USB Stick, die modernsten Wasseraufbereitungsanlagen, der mittels Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführte hochintensive fokussierte Ultraschall (HIFU), Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, Website-Template-Lösungen, Navigations-Apps , die Kameras für Tablets und Smartphones … das alles und noch viel mehr kommt aus Israel, wo knapp 8,5 Millionen Menschen leben. Also vergleichsweise ähnlich viele (oder eben wenige) wie in der Schweiz. Und dennoch hat dieses Land über 90 Firmen an die US-Börse Nasdaq gebracht. Das ist mehr als jedes andere ausser den USA und China (!). Nirgends werden so viele Tech-Firmen per Einwohner gegründet. IT-Riesen wie Apple, Cisco, Google, Intel, Microsoft und IBM unterhalten dort Forschungszentren. Und Politiker und Unternehmer aus der ganzen Welt pilgern hin, um die unternehmerische Dynamik mit zu erleben.
Party und Business verbinden
Was besonders auffällt: Speziell die Mittelmeer-Metropole Tel Aviv lockt junge Unternehmerinnen und Unternehmer an. Nicht nur aufgrund der hohen Dynamik bezüglich Innovationskraft und Unternehmertum, sondern auch wegen der attraktiven Party-Kultur. Die Stadt hat kulturell viel zu bieten. Legendär sind die aber auch die Parties mit den vielen schönen Menschen in Feierlaune. Das ist typisch für die Israelis, die in der Regel gerne nach dem Motto «Geniesse und nutze den Moment» leben. So gehören die kilometerlangen Strände, das Mittelmeerklima, wahnsinnig gutes Essen, eine lebensfrohe Einstellung, die Offenheit für Diversität und eben das weltweit bekannte Nachtleben zu den Bestandteilen für eine optimale Zauberformel. Nicht umsonst war Tel Aviv als Party-Hauptstadt des Nahen Ostens auch der perfekte Austragungsort für den Eurovision Song Contest 2019. Ein israelisches Sprichwort besagt: «In Haifa wird gearbeitet, in Jerusalem gebetet und in Tel Aviv gefeiert.»
Dem eigenen Beispiel folgen als erfolgreiches Startup
Israel ist eine Startup-Nation mit einem enormen Investitionswillen und viel Innovationskraft. Wer eine einfache Antwort möchte, warum ausgerechnet Israel als kleines Land mit vielen feindlich gesinnten Ländern im Nacken so erfolgreich ist, muss einfach ein Geschichtsbuch öffnen: Der Staat war und ist gewissermassen ein Startup. Eines, das sich gegen alle Widrigkeiten mit viel Durchsetzungsvermögen aber auch mit Improvisationskraft durchsetzen konnte und so praktisch aus dem Nichts dank kluger Köpfe und viel Solidarität so eine Erfolgsgeschichte entstand. Man musste seit der Gründung 1948 mit der Gewissheit leben, dass man nur mit einem Vorsprung in Wissenschaft, Innovation und Technologie überleben wird. Getrieben vom Motto «Nie wieder» haben sich also die Israelis ihrer Stärken besonnen und die bestehenden intellektuellen Fähigkeiten in die Praxis umgesetzt. Einer, der das nicht nur als politischer sondern auch als globalwirtschaftlich denkender Visionär erkannt hat, war der legendäre Shimon Peres, der Ex-Regierungschef und Friedens-Nobelpreisträger. Auch dank ihm wurden die grössten Fortschritte in der Konzeption der staatlichen Förderprogramme für innovative Unternehmen erreicht. Viele berühmte Unternehmer lassen sich gerne zitieren, wenn es um die Errungenschaften Israels geht. So sagte beispielsweise Bill Gates: «Israel hat mit der stattfindenden Innovation eine Schlüsselrolle in der Technologie-Branche».
Die israelische Regierung hat verschiedene Programme zur Förderung von Start-up-Unternehmen aufgelegt: das TNUFA-Programm (hebräisch für «Momentum, Schwung») für Jungunternehmer/innen unterstützt StartUps, die den Nachweis technologischer Durchführbarkeit und kommerzieller Realisierbarkeit ihrer Idee erbringen können. Das Incubator-Incentive-Programm für Startup-Gründer forciert mit einem Zuschuss bei 15 Prozent notwendigen Eigenkapitals neue Entwicklungen. Das Darlehen muss nur im Erfolgsfall zurückgezahlt werden. Scheitert das junge Unternehmen, trägt der Staat die Kosten. Ist es erfolgreich, verbleiben die Gewinne bei den privaten Investoren. Der Staat wiederum refinanziert sich im Erfolgsfall und kassiert drei Prozent Tantiemen von gewinnbringenden Startups. Das Renewable Energy Technology Center für Entwicklungsprojekte für erneuerbare Energien und Energieeffizienz indes umfasst die Bereiche Solarenergie, Windenergie, Geothermie, Brennstoffalternativen, Energieeffizienz, Smart Grid (Intelligentes Stromnetz) und Energiespeichertechnologie. Kein Wunder also, ist Israel auch in diesen Bereichen so richtig gut dabei.
«Fuckup», «Chutzpah» und «Balagan»
Ein erfolgreiches Startup-Unternehmen lebt aber auch vom Mut und von der Notwendigkeit, Dinge anzupacken: «Lieber heute statt morgen», ist oft die Devise, wenn man in Israel mit den einheimischen Unternehmer/innen eine Idee oder ein Projekt ausdenkt. Keine Zeit zu verlieren und den Mut zu haben, Fehler machen zu dürfen – das ist eine Eigenart der Israelis. Das zeigt sich auch in den vielen Meetup-Hubs im Lande, wo bekannte und unbekannte Personen mit Stolz und Witz ihre Erfahrungen in den so genannten «Fuckup-Nights» nach dem Motto «Share your Fuckup» teilen. Zwei immer wiederkehrende Begriffe hierbei sind «Balagan» (Ivrith/hebräisch – was so viel heisst wie «Chaos») und «Chutzpah» (steht im übertragenen Sinne für «Mut»). Die Israelischen Entrepreneurinnen und Entrepreneure können «Balagan» und «Chutzpah» gut mit anderen unternehmerischen Eigenschaften verbinden. Das ist eines der Erfolgsgeheimnisse. «Chutzpah» oder «Balagan» sind im israelischen Alltag weder positiv noch negativ konnotiert. Wenn, dann sei es – so wird es in einem israelischen Sachbuch zum Thema beschrieben – eher wie beim Krafttraining: «Je mehr man damit vertraut ist, in einem chaotischen Umfeld aufzuwachsen, umso intensiver trainiert man die entsprechenden Muskeln, die die Anpassungsfähigkeit stärken.»
Von Joël Ch. Wuethrich**
** Der Autor dieses Artikels ist CEO einer PR-Agentur, Entrepreneur in Marketing/PR, sowie in der Sportvermarktung. Er ist Dozent für Marketing und Co-Besitzer des Nischenverlags JAZZTIME AG. Joël Ch. Wuethrich beobachtet intensiv die Entwicklungen bezüglich (exponentieller) Innovation in Israel, in Kanada sowie in der Schweiz und Europa und referiert regelmässig zu diesen Themen.
Neue Einblicke
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