In der Stadt heizt es besonders auf

    Hitzewellen haben in städtischen Gebieten grössere Auswirkungen als auf dem Land

    Der Trend ist eindeutig und wurde durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt: «Hitzewellen» werden künftig in Städten zunehmen. Das hat unmittelbare Folgen auf das Stimmungsbild in der wohnenden und arbeitenden Bevölkerung und wird die Stadtplaner vor neue Herausforderungen stellen.

    (Bild: JoW) Prof. Dr. rer. nat. Eberhard Parlow vom Departement Umweltwissenschaften der Uni Basel: «Eine geeignete Stadtplanung und Architektur ist entscheidend und kann extremen Auswirkungen des Wetters entgegenwirken.

    Grosse Hitze ertragen nicht alle Menschen gleich gut. Für gesunde Menschen besteht bei angepasstem Verhalten an heissen Sommertagen normalerweise keine Gefahr. Das Wohlbefinden kann aber durch hohe Temperaturen, hohe Ozonwerte und eine hohe Luftfeuchtigkeit eingeschränkt werden. «Bei aller Freude über die sommerlichen Temperaturen ist auch Vorsicht geboten. Hitze und starke Sonneneinstrahlung können der Gesundheit schaden. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, ältere Menschen und immobile oder chronisch kranke Personen», sagt der Kantonsarzt Thomas Steffen in einem Communiqué. Er setze bei der Sensibilisierung der Bevölkerung auf die Hausärzte, Pflege- und Lehrpersonen. «Diese stehen in direktem Kontakt mit den Leuten und können sie auf diese Weise besonders gut erreichen», sagt er. Das habe einen nachhaltigeren Effekt als beispielsweise Wasserverteilaktionen. Auch mit Kampagnen auf Facebook habe man gute Erfahrungen gemacht, sagt Steffen: «In den letzten Jahren erreichen wir immer mehr und auch ältere Menschen auf diese Weise». In anderen Kantonen – zum Beispiel in der Romandie und im Tessin – werde auf freiwillige Helferinnen und Helfer gesetzt, die bei älteren Personen vorbeischauen. Man nennt dies das «Buddy System». Diese Personen sollen sicherstellen, dass die Menschen genügend Flüssigkeit zu sich nehmen. Ein solches System sei für Basel-Stadt aber kein Thema wegen des grossen organisatorischen Aufwandes. Solche Freiwilligen-Programme seien auf dem Land einfacher einzuführen als in den Städten, hiess es weiter. Auch Hundehalter müssen Verhaltenstipps beachten. Der Kantonsarzt und der Kantonstierarzt geben Verhaltenshinweise. Neben allgemeinen, bekannteren Tipps warnen beide vor einer Falle: Kinder oder Hunde nicht im Auto zurücklassen.

    Die Stadtplaner müssen früher oder später reagieren
    Warum aber kollabieren viel mehr Leute in den Städten aufgrund der Hitze? Warum heizt es sich in den Städten viel stärker auf als in ländlicheren Gebieten? Und was «macht die Hitze» mit der Stadt? Dr. Sven Kotlarski vom Institut f. Atmosphäre und Klima der ETH Zürich: «Das hat mit den  Faktoren Wärmestrom und Verdunstung zu tun. Die Perzeption der aufeinander folgenden Hitzetage ist in den Städten extremer, weil ein Ausgleich durch Verdunstung nicht stattfindet und eine so genannte Wärmeinsel entstehen kann. Auf dem Land ist die Verdunstung grösser. Deshalb bekommen auch städtebauliche Massnahmen mit Bepflanzungen asphaltierter Regionen und einer guten Durchlüftungsmöglichkeit der Stadt grosse Bedeutung.» Hier setzt auch Prof. Dr. rer. nat. Eberhard Parlow vom Departement Umweltwissenschaften der Uni Basel an: «Eine geeignete Stadtplanung und Architektur ist entscheidend und kann extremen Auswirkungen des Wetters entgegenwirken. Das wird heute zum Teil getan, aber in der Architektur sind diese Rahmenbedingungen noch kaum angekommen. Heute wird viel öfter in Glas gebaut und das heizt sich auf – es entsteht ein Treibhauseffekt. Da hilft es auch nicht, wenn Architekten dauernd predigen, man habe alles im Griff – die müssen in diesen Gebäuden ja nicht selber wohnen.»

    (Bild: Fotolia) Die Folgen von Hitzewellen in einer Stadt sind vielfältig. Die Produktionsleistung der arbeitenden Bevölkerung lässt nach, ebenso die Konzentrationsfähigkeit.

    Produktionsleistung der arbeitenden Bevölkerung leidet
    Die Folgen von Hitzewellen in einer Stadt sind vielfältig. Dr. Eberhard Parlow hebt einige Punkte heraus: «Strassenbeläge können platzen und Autobahnen werden gesperrt oder es gibt Geschwindigkeitsbeschränkungen. Schienen verbiegen sich sogar manchmal und der Bahnverkehr wird beeinträchtigt. Die Produktionsleistung der arbeitenden Bevölkerung lässt nach, ebenso die Konzentrationsfähigkeit, was zu Fehlern bei der Arbeit führt.» Meist bleiben die Folgen im grünen Bereich, so Parlow, aber es kann auch zu schwerwiegenden Konsequenzen führen bei Arbeiten, die lebensentscheidend seien wie jene in Spitälern oder im Verkehrswesen. Innerhalb der Betriebe könne man zwar mit Klimaanlagen gegensteuern, aber diese seien bei uns nicht so verbreitet wie in den USA, Japan oder vielen mediterranen Ländern. «Andererseits lässt sich das Problem für den menschlichen Organismus nicht komplett lösen, wenn der entsprechende Mensch nachts bei hohen Temperaturen von über 22°C schlafen muss. Ein Schlaf bei hohen Temperaturen (man geht von ca. 21°C aus) ist nicht sehr erholsam und der Mensch wacht morgens gestresst auf, was seine Anpassungsfähigkeit am Folgetag erschwert.»

    Folgen der Überbeanspruchung von Klimaanlagen
    Ein anderer Aspekt: Die Wechselfolgen durch Überbeanspruchung von Klimaanlagen. Speziell der Stromverbrauch durch den stärkeren Gebrauch von Klimaanlagen und Ventilationssystemen ist gestiegen. Hierbei wurde durch Expertenteams entdeckt, dass die Klimaanlagen keinen guten Einfluss haben auf die Wärmezirkulation und den Wärmeaustausch in einem Stadtgebiet. Auch dazu wurde Prof. Dr. rer. nat. Eberhard Parlow befragt: «Wenn Klimaanlagen eine angepasste Raumtemperatur produzieren, dann wird die Innenraumwärme lediglich in die Aussenluft befördert, was zu einer signifikanten anthropogenen, vom Menschen verursachten Wärmeproduktion führt und die Aussentemperaturen zusätzlich ansteigen lässt. Weitere Folgen sind, dass der Strom ja produziert werden muss, die Bereitstellung des Stroms in vielen Kraftwerken aber problematisch wird aus Gründen fehlenden Wassers beziehungsweise zu hoher Wassertemperaturen. Kernkraftwerke, Wasserkraftwerke und auch Windenergie ist nicht sehr effizient bei solchen Wetterlagen.»  Und so stellt sich die Frage: Wird künftig noch mehr in städtischen Infrastrukturen genau aus diesem Grunde investiert werden müssen? Eberhard Parlow: «Einerseits ja in Form von Klimaanlagen, mit den eben angesprochenen negativen Wechselfolgen. Andererseits kann man durch geeignete Stadtplanung und Architektur solchen Auswirkungen des Wetters entgegenwirken.»

    Problematik des hohen Stromverbrauchs in Hitzeperioden
    Energie verschwindet nicht – das sei physikalische Realität, so Parlow. Sie würde nur in andere Wärmeformen oder Bewegung «umgepolt» oder einfach woanders hingeleitet, wo sie dann wirken könne. «Die Feedbacks sind ziemlich komplex und kompliziert. Hier nur ein wenig im Sinne von logischer Abfolgen: Wärme wird aus den Räumen nach Aussen geleitet und erwärmt die Aussenluft, bei höherer Aussenluft wird der Kühlbedarf noch höher und der Strombedarf wächst. Das wird fast zum perpetuum mobile. Wenn der Strombedarf steigt um zu kühlen, wo kommt der Strom her?» Atomkraftwerke brauchen in der Regel Kühlwasser, welches aber bei Hitzewellen auch schon warm ist. Ausserdem fallen die Pegel der Flüsse, da zu wenig Regen fällt und die Kühlung wird zum Problem. Das kann unter Umständen sogar bis zum Abschalten der Kraftwerke führen. Und Parlow erwähnt noch einen Nebeneffekt: «Bei hohen Wassertemperaturen geht der Sauerstoffgehalt des Wassers runter, was zu Fischsterben führt. Ausserdem können Ernteverluste die Folge sein wie vorletztes Jahr in Frankreich oder auch teilweise bei uns. Schliesslich kann man die Folgen auch noch weiter verfolgen wenn es zur Stromverknappung und daher zu Spitzenpreisen für Strom kommen sollte.»

    Dass die so genannten Hitzewellen künftig häufiger und die Städte in den Schwitzkasten nehmen werden, ist sicher. Die Prognosen einer Zunahme von Hitzewellen seien sehr realitätsnah, sagt   auch Eberhard Parlow. Nach 2003 mit dem wärmsten Monat (August 2003), den Basel seit 1755 erlebt hat, hatten wir in den letzten Jahren wieder längere Phasen mit sehr hohen Temperaturen, bestätigt der Forscher. Dabei sei der einzelne sehr warme Tag nicht so entscheidend, sondern mehr die Sequenz von heissen und immer heisser werdenden Tagen. «Die Städte und insbesondere die Wohnungen wärmen sich stark auf und die nächtliche Abkühlung reicht nicht mehr aus, um die Sache auszugleichen.»

    JoW


    Prävention bei Kleinkindern
    Insbesondere kleine Kinder leiden unter grosser Hitze. Bei Säuglingen, Kleinkindern, aber auch immobilen oder chronisch kranken Menschen ist besondere Vorsicht geboten. Besonders wichtig ist es, an heissen Tagen viel Flüssigkeit aufzunehmen. Dies gilt insbesondere auch für Kleinkinder und ältere Menschen, welche empfindlicher auf die Hitze reagieren und das Durstgefühl nicht immer äussern können bzw. dieses abnehmen kann. Zu vermeiden sind Überhitzung und Austrocknung. Ermattung, Müdigkeit, trockene Haut und Lippen sind Zeichen, Abhilfe zu schaffen.

    Konkrete Verhaltenstipps geben die Medizinischen Dienste mit ihren Merkblättern. Sie können via md@bs.ch oder Telefon 061 267 45 20 bestellt oder im Internet heruntergeladen werden. Die Tipps decken sowohl Alltags- als auch Freizeitverhalten ab, ebenso Ernährung und Trinkverhalten. Weiter gehen sie spezifisch auf einzelne bestehende Erkrankungen und deren Umgang bei Hitze ein.


    Vorsicht «Autofalle»
    Auch ist daran zu denken, kleine Kinder, generell niemanden, in Autos oder unbeaufsichtigt in verschlossenen Räumen zurückzulassen, auch nicht für kurze Zeit. Dies gilt auch für Tiere, bei denen die «Autofalle» häufiger vorkommt und die Behörden regelmässig einschreiten müssen, um vor allem Hunde zu retten: Tiere dürfen bei warmem Wetter nicht im Auto zurückgelassen werden.

    Bereits nach wenigen Minuten heizt sich der Innenraum eines Fahrzeugs auf. Bei 30 Grad Aussentemperatur steigt die Fahrzeuginnentemperatur nach 10 Minuten bereits auf 37 Grad an, nach 30 Minuten auf unerträgliche 46 Grad. Eine heruntergekurbelte Fensterscheibe oder ein Parkplatz im Schatten schaffen dabei nicht genügend Abkühlung des Innenraumes. Zudem ist bei der Wahl der Schattenlage zu berücksichtigen, dass die Sonne naturgemäss wandert. Aber auch in den Parkhäusern und Tiefgaragen führen betriebswarme Automotoren, einströmende Aussentemperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit zu tropischen Verhältnissen, die für Mensch und Tier im Innenraum eines abgestellten Fahrzeuges zu einer ernsthaften Gefahr werden können.


    Immer wieder unterschätzt: Waldbrandgefahr
    Im April 2017 brannte es nach dem sehr trockenen Jahresbeginn in einem Waldstück in Muttenz unweit von Feuerstellen. Zwei Wochen davor war in der Nähe von Häfelfingen ein Stück Wiesland in Brand geraten. Auch dies in der Nähe einer inoffiziellen Feuerstelle. Damit nicht noch grössere Brände entfacht werden, wird in diesem Sommer von Picknickfeuern abgeraten. Selbst in der Nähe der festen Feuerstellen sollte sämtliches brennbares Material entfernt werden. Dies gilt für Totholz, Laub oder dürres Gras, sagen die Behörden der beiden Basel. Die Feuerstellen und Umgebung solle man permanent überwachen und vor dem Verlassen Feuer und Glut vollständig löschen. Wichtig ausserdem:

    • Von Picknickfeuern und weggeworfenen Zigaretten geht die grösste Gefahr aus
    • Am besten macht man gar kein Feuer, und wenn doch, dann nur auf offiziellen, fest eingerichteten Feuerstellen
    • Bei Wind ist die Gefahr auch auf fest eingerichteten Feuerstellen gross.
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