Integrationsarbeit «unplugged»

    Ohne Geduld und Empathie keine Chance auf Erfolg

    Mit dem Programm «Salute», welches vom Roten Kreuz Baselland seit Ende 2015 begleitet wird, realisieren Freiwillige als Begleiter von Flüchtlingen und Personen aus anderen Kulturen konkrete Hilfe bei der Integration. Die Erfolge sind beachtlich.

    (Bild: Sabine Knosala / Birsfelder Anzeiger) Semhar Berhane (Mitte) trifft sich seit über zwei Jahren mit der Freiwilligen Christina Troxler (links), die sie im Alltag unterstützt. Imma Mäder vom Roten Kreuz Baselland besucht die beiden (rechts).

    Das Programm «Salute» ist sowohl einfach wie auch genial durchdacht: Freiwillige begleiten in ihrer Gemeinde oder Umgebung wohnhafte Flüchtlinge im Sinne eines Patensystems zwischen einem halben Jahr und zwölf Monaten. Als «Götti» und Bezugsperson fühlt man sich irgendwie automatisch auch verantwortlich für die zu betreuende Person. Manche begleiten die Flüchtlinge eine noch längere Zeitdauer und stärken sie in ihrer Alltagsbewältigung. Durch Alltagskonversation fördern die Freiwilligen den Spracherwerb. Die Freiwilligen werden vom Roten Kreuz Baselland sorgfältig begleitet. Übergreifendes Ziel des Angebotes ist es, Flüchtlinge in ihren speziellen Lebenssituationen zu unterstützen. Mit dem Ziel die Handlungsfähigkeit im Alltagsleben zu erweitern.

    Alltagssituationen in einem fremden Land meistern …
    «Wichtig ist, dass die Flüchtlinge wichtige Gepflogenheiten und Alltagsrituale des Zusammenlebens und des Alltages in der Schweiz kennenlernen und verstehen können», sagt Corinne Sieber, Abteilungsleiterin Soziales und Integration beim Roten Kreuz Baselland. Die Bezugspersonen helfen dabei auch, die für die Flüchtlinge wichtigen Einrichtungen und Angebote in der Gemeinde und in der Umgebung zu kennen. Manche machen sie ebenso mit dem lokalen «Brauchtum» vertraut und üben mit ihnen die gängigsten Grundbegriffe und sprachlichen Wendungen, welche in Alltagssituationen gebraucht werden. Schon viele Erfolge sind damit erzielt worden. Zum Beispiel mit erwachsenen Flüchtlingen und mit Müttern mit Kleinkindern: Seit Sommer 2018 begleitet eine pensionierte Freiwillige eine jüngere Frau, die seit drei Jahren in der Schweiz ist. Die sudanesische Frau hat Anfängerinnen-Sprachkenntnisse. Die beiden Frauen verstehen sich trotz Verständigungsproblemen sehr gut. Die Freiwillige unterstützte die Frau bei der Anmeldung zu einem ersten Deutschkurs und hilft nun weiter bei den Hausaufgaben. Sie begleitete die sudanesische Frau zu einem Brillen-Sehtest und führte sie in eine SBB-App ein, um günstigere Zugbillete zu kaufen. Sie half ihr auch eine neue Frauenärztin zu finden. Aktuell suchen sie nach einer eigenen Wohnung. Die junge Frau absolvierte kürzlich einen Schnuppereinsatz in einem Arbeitsintegrationsprogramm.

    (Bild: Monika Fluckiger) Deutsch üben: Eine der wichtigsten Aufgaben für Freiwillige im Programm «Salute»

    Voraussetzung für den Job sind Geduld und Empathie
    Auch einer Frau mit zwei Kindern im Vorschulalter konnte geholfen werden. Corinne Sieber: «Sie trifft sich mit einer Freiwilligen und ihrem Kleinkind. Die fünf gehen oft gemeinsam nach draussen. Sie spielen und üben Deutschkonversation. Die Freiwillige nahm die Migrantin in eine lokale Krabbelgruppe mit. Die fremdsprachige Mutter ist mutiger geworden. Sie nutzt die Familienangebote, welche die Freiwillige ihr zeigt.»

    Natürlich sind auch besonders herausfordernde, ja schwierige Situationen zu meistern: «Wir betreuen einen Analphabeten. Der Spracherwerb bereitet ihm grösste Schwierigkeiten. Sich in Deutsch zu verständigen, Briefe lesen oder Bewerbungen schreiben sind für ihn enorme Herausforderungen, die mit permanentem Stress und Überforderung verbunden sind. Die Begleitung erfordert sehr viel Geduld und Empathie. Wichtig ist der Blick auf vorhandene Ressourcen. Eine passende Bezugsperson zu finden ist schwierig.»

    (Bild: SRK Baselland) Nicht nur das Üben und Lernen sind Bestandteil des «Salute» Programms – auch gemeinsame Unternehmungen mit «einheimischen Familien» sind wichtig. Besonders auch für alleinerziehende Elternteile.

    Auch Eigeninitiativen und gute Ideen und Hinweise werden gerne aufgenommen, wie beispielsweise eine Idee, die von einer Sozialarbeiterin kam: So begleitet ein sehr aktives pensioniertes Ehepaar seit rund einem Jahr einen jungen Mann. Dieser konnte nie eine Schule besuchen. Die freiwillig tätige Ehefrau arbeitete als Sprachheilpädagogin. Sie versucht auf verschiedene Weise, seine Lernmotivation zu stärken. Das Ehepaar bietet dem Flüchtling einen wichtigen Bezugspunkt: Oft kochen sie gemeinsam oder verbringen Zeit im Garten. Sie unterhalten sich über für ihn wichtige Anliegen – aktuell auch darüber, dass sich der Flüchtling einen Deutsch sprechenden gleichaltrigen Freund wünscht.

    Herausforderungen im Kindergartenalter
    Ganz speziell ist die Arbeit mit Kindern: Ein eritreisches Mädchen im Kindergartenalter besucht wöchentlich begeistert ihr «Gotti». Das Mädchen wurde von der Kindergartenlehrperson angemeldet. Diese beurteilte die sprachliche und kognitive Förderung wichtig. Die Eltern des Mädchens sprechen kaum Deutsch. «Gotti» und Kind besuchen zusammen unter anderem den Robinson-Spielplatz oder gehen ins Schwimmbad. Das Erlernen der Sprache geht langsam, aber stetig voran. Die Kindergartenlehrperson merkte bereits nach wenigen Treffen einen positiven Effekt. Corinne Sieber: «Einen Kinderkontakt starteten wir, als wir vernahmen, dass ein Kind in einer Spielgruppe noch kaum ein Wort spricht. Ausser Befehlswörter wie «Komm», «Gib», «Nimm» kann das syrische Mädchen noch nichts aussprechen. Eine Frau im Pensionsalter trifft sich wöchentlich mit dem Mädchen. Es benötigt viel Zeit, um das Vertrauen aufzubauen. Vielleicht kann sich das Mädchen danach öffnen und mit Sprechen beginnen, um für den Kindergartenstart im Sommer 2019 gut vorbereitet zu sein.»

    Daniele Ciociola


    Erwartungshaltung an Freiwillige

    Ein/e Freiwillige/r begleitet eine Einzelperson oder eine Familie mit Fluchterfahrung während mindestens 6 Monaten. Die konkrete Alltagsunterstützung einer freiwilligen Bezugsperson hilft den Flüchtlingen, möglichst gute Bedingungen für ein selbständige(re)s Leben hier in der Schweiz zu schaffen. Die gegenseitige Klärung von Erwartungen ist wichtig, – wie auch eine realistische Einschätzung, was aus der jetzigen Lebenssituation überhaupt «erreichbar» ist. Für die Freiwilligen ist der Einsatz eine grosse Bereicherung. Sie tauchen in neue Kulturen ein, können etwas bewirken und nehmen neue Inpulse für ihr eigenes Leben mit. Im Mittelpunkt steht im Sinne eines Mentorings die Beziehung zwischen zwei Menschen. Sie orientiert sich am Prinzip: Helfe mir, es selbst zu tun.


    Freiwillige «welcome»
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    Rotes Kreuz Basel
    Programm «Eins zu Eins»
    Tel. 061 319 56 66
    imma.maeder@srk-basel.ch

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