Missbrauch von Gemeindeversammlung und Demokratie

    Erfolglose Antragsteller verliessen in Muttenz den Saal

    Dass Partikularinteressen auch durch Missbrauch der politischen Instrumente nicht immer durchsetzbar sind zeigte sich an der Muttenzer Gemeindeversammlung vom 21. März 2017. Ein Antrag, der zu Gunsten eines kleinen Quartiers eingereicht wurde sollte für das ganze Gemeindegebiet Gültigkeit erlangen. Die Einwohnergemeindeversammlung schmetterte das Manöver deutlich ab.

    (Bilder: © Beat Eglin www.presstime.ch) Dieses Areal soll überbaut werden (Blick ostwärts)

    Mit einem Antrag nach §68 des Muttenzer Gemeindegesetzes wollten Anwohner oberhalb des Hagnau-Gebietes erreichen, dass auf dem gesamten Gemeindebann keine Gebäude über 45 Meter Höhe gebaut werden dürfen. Das Hagnau-Gebiet rechts der Birs am westlichen Ende von Muttenz liegt zwischen Auto­bahn und Eisenbahn und in Gehdistanz zum St. Jakob-­Stadion. Gegenwärtig ist auf diesem Gelände die Firma Beton Christen beheimatet. Das Areal liegt etwa 15 Meter unter dem darüber liegenden Freidorfquartier. Die Bewohner befürchten einen zu starken Schattenwurf, wenn dort Gebäude bis 88 Meter Höhe hingestellt werden. Zudem wird ein erheblicher Mehrverkehr erwartet. Der Gemeinderat entkräftete diese Argumente und teilte mit, dass jedes Gebäude einen Grenzabstand einhalten muss, der so breit ist wie das Gebäude hoch. Somit ergibt sich ein grosszügiger Lichteinfallswinkel von 45°. In der zweigeschossigen Wohnzone ist dieser Winkel 62°, in anderen Zonen noch höher. Dies bedeutet weniger Sonnenlicht. Die Bewohner würden somit auch durch sehr hohe Bauten weniger beeinträchtigt als in anderen Bauzonen. Mit höheren Gebäuden ist es zudem möglich, deutlich mehr Grünflächen zu erhalten als mit mehr kleineren Gebäuden und der gleichen Nutzfläche.

    Wohnen, Logistik oder Shopping?
    Eine Alternative wären Logistikgebäude oder ein Einkaufszentrum, die aber erheblichen Lastwagen- und Individualverkehr zur Folge hätten. Die Lage mit dem nahen Autobahn- und Zuganschluss ist für Logistiker ideal, ähnlich wie in Pratteln. Ob die Anwohner damit einverstanden wären ist sehr fraglich.

    Ein Gebäude wie der Kubuk der Fachhochschule Nordwestschweiz an der Bahnlinie dürfte mit einem solchen Reglement nicht mehr gebaut werden. Durch die Höhe von 65 Metern konnte neben dem Gebäude eine grosszügige Grünfläche erhalten werden. Dies wird auch an anderen Orten der Fall sein und dadurch bleiben wertvolle Erholungsflächen grün statt grau.

    Da in Muttenz bei jeder grösseren Planung ein Quartierplan erstellt werden muss, hätten die Initianten die Möglichkeit, dort mitzuwirken und bei der entsprechenden Abstimmung an der Gemeindeversammlung ihren Einfluss geltend zu machen.

    Links von der Autobahn befindet sich das Freidorfquartier

    Gemeinderat lehnt Baubeschränkung ab
    Der Gemeinderat schreibt in seiner Stellungnahme: «Die vorgeschlagene Einschränkung in Ziffer 25.5 des geltenden Zonenreglements würde die Gemeindeversammlung in ihrer Kompetenz beschneiden und ihr die Möglichkeit nehmen, zukünftig im Rahmen von Quartierplanungen auf spezifische Gegebenheiten umfassend und angemessen reagieren zu können. Der Souverän würde sich selbst ein Denk- und Handlungsverbot auferlegen. Dies erscheint auch aus der in der Vergangenheit gemachten Erfahrung unnötig, da die Gemeindeversammlung in den letzten Jahrzehnten und bis heute jeweils kompetent und vielfältig die situativ richtigen Antworten im Rahmen von Quartierplanungen gefunden hat.»

    Stimmbürger erteilen deutliche Abfuhr
    Die Antragsteller konnten sich mit ihren Argumenten nicht durchsetzen und mussten in der Abstimmung mit 151 zu 77 Stimmen eine deutliche Niederlage einstecken. Unter Protest standen darauf etwa 40 Personen auf und verliessen den Saal. Es ist zu hoffen, dass den Muttenzer Stimmberechtigten diese Reaktion noch in Erinnerung ist, wenn der Quartierplan Hagnau an der Gemeindeversammlung verhandelt wird. Dann könnte nämlich für die Initianten die Retourkutsche kommen und das undemokratische Verhalten und der Versuch, Eigeninteressen durchzuzwängen, könnte von der Versammlung bestraft werden.

    Beat Eglin

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