«Problemviertel» – Diskussion: Basel (noch) nicht betroffen

    Ex-Kriminalkommissär Markus Melz über No Go Areas, klare Aussagen und «Political Correctness»

    Gibt es auch in Basel bald so genannte «No Go Areas»? Oder existieren diese bereits? Offiziell wird dies verneint. Aber diese Frage beschäftigt viele in der Region, weil man in anderen mittelgrossen Städten Europas eine Tendenz zur Ausbreitung und Entstehung von «No Go Areas» feststellt. Wir haben mit Ex-Kriminalkommissär und Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Markus Melzl gesprochen.

    (Bild: zVg) Markus Melzl: Der Ex-Kriminalkommissär nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht Themen offen an.

    Markus Melzl ist aufgrund seiner jahrelangen Präsenz in den Medien ein Basler «Original». Und er nimmt kein Blatt vor den Mund. Das muss er auch nicht. Der ehemalige Kriminalkommissär hat fast das ganze Berufsleben bei der Polizei verbracht, davon 16 Jahre als Mediensprecher der Staatsanwaltschaft. Seit 2012 trage er «einen anderen Hut», wie er gerne zu sagen pflegt. Markus Melzl schreibt und referiert heute über jene Themen, die ihn tagtäglich während seiner Karriere beschäftigten. Political Correctness um der Political Correctness wegen sei nicht sein Ding. Und heute erst recht nicht.

    «Man sollte sich den Diskussionen stellen!»
    Dies merkt man in vielen seiner Kommentare. Er schreibt und kommentiert vorbehaltlos und spricht Dinge klar und unverhohlen an, die oft nur hinter vorgehaltener Hand formuliert werden. Speziell wenn es um das heikle Thema der Verbrechensbekämpfung geht. Vor Kurzem hat er sich als Kolumnist in der Basler Zeitung unter anderem auch zur Entwicklung der «No Go Areas» in Europas Städten geäussert. Und er hielt wie immer mit einer klaren Aussage nicht hinter dem Berg: Die Entwicklung von «Problemvierteln» sei kaum aufzuhalten, war sein Fazit. Ihm wurden viele Kose- oder Übernamen verliehen: «Das Gesicht der Stawa» war noch eine der freundlichen Bezeichnungen, wohingehend «Angry White Man» (Tageswoche) eher weniger vorteilhaft klingt. Markus Melzl: «Dass man mich als Angry White Man bezeichnet und einen Versuch eines Vergleichs mit Donald Trump herleitet, bedeutet, einer wirklichen Diskussion aus dem Weg zu gehen. Wenn die Argumente fehlen, dann weichen vor allem ideologisch geprägte Medien auf solche Nebenschauplätze aus, wenn Aussagen nicht dem eigenen Weltbild entsprechen.»

    Melzl versucht nicht einem Image gerecht zu werden. Auch wenn seine Kolumnen dies dann und wann auch befeuern. «Bei mir ist es nicht eine Frage der Kultivierung des Images. Ich habe heute die Möglichkeit, für ein grosses Publikum zu sicherheitsrelevanten Themen Stellung beziehen zu können. Es sind Themen, welche vielen Menschen in unserem Land unter den Nägeln brennen und oftmals auch unbequem sind», so Melzl.

    «Heute trage ich einen anderen Hut…»
    Gibt es für ihn aufgrund seiner Vergangenheit nun in seiner aktuellen Tätigkeit Gratwanderungen bezüglich dezidierter Meinungsäusserung und klarer Stellungnahme? Muss er manchmal sogar zurückhaltender sein als er eigentlich will? Melzl: «Zuerst möchte ich festhalten, dass ich heute einen anderen Hut trage als früher. Solange ich als Sprecher der Staatsanwaltschaft arbeitete, war nicht primär meine eigene Meinung gefragt, sondern hatte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt gegen aussen zu vertreten. Was die Sachverhalte heute betrifft, so lege ich mir keine Zurückhaltung auf. Als langjähriger Polizei- und Kriminalbeamter werde ich jedoch nie Aussagen machen, welche die Arbeit meiner ehemaligen Dienstkameraden in irgend einer Form behindern könnte. Und nur Political Correctness um der Political Correctness willen hat mir sowieso nie zugesagt. Ich meine zu allem Stellung nehmen zu können, ohne aber in irgend einer Art und Weise beleidigend zu kommunizieren. Aber Ross und Reiter sollten natürlich schon benannt werden.»

    (Bilder: JoW) Die Webergasse und die «Toleranzzone» – bisher aufgrund der dortigen Etablissements und regelmässigen Vorfällen vor Ort bei vielen als «Problemviertel» empfunden.

    Eine «No-Go-Area-Diskussion» bald auch in Basel?
    Einer seiner Artikel über die «NO Go Areas» sorgte einmal mehr für Gesprächsstoff. Es stellt sich für viele die Frage, ob in Basel-Stadt auch bald die eine oder andere «schwer kontrollierbare Zone» entsteht. In Basel sei kein ausgesprochenes Problemviertel mit hoher Kriminalitätsrate auszumachen, heisst es von Seiten der Polizei. Wenn auch es gewisse «Problemviertel» gebe mit einer etwas erhöhten Gefahr von Kleinkriminalität und latenter Gewaltbereitschaft. Die Probleme kommen eher von ennet der Grenze. Markus Melzl: «In den mehr oder weniger naheliegenden Städten Mulhouse, Colmar und Belfort existieren brisante Problemviertel. Wenn man den Radius bis Strasbourg ausweitet, dann muss man von hochexplosiven Vierteln mit hoher Kriminalitätsrate sprechen. Bei den Problemvierteln von Mulhouse und Strasbourg darf man sehr wohl von No-Go-Areas sprechen, zumal die Polizei auch tagsüber diese Orte nur mit einem grös­seren Mannschaftsaufgebot aufsucht. Zudem müssen die Einsätze von Feuerwehr und Sanität von der Polizei beschützt werden. Als normaler Bürger ist es weniger ratsam, sich in solchen Banlieues zu bewegen.» Die Schweiz tue gut daran, sich auf Bundes-, Kantons- und vor allem auf Gemeindeebene aktiv zu bemühen, das Entstehen von Quartieren mit allen Mitteln zu verhindern, wo Ausländer versuchen, sich abzuschotten, so Melzl. Der Schritt von der Abschottung zur Parallel­gesellschaft und weiter zu No-Go-Areas sei fliessend und nicht sehr gross.

    «Position beziehen – nicht nur mit geschönten Worten»
    Viel geredet wird in diesem Zusammenhang von Migrantenkriminalität und Kriminaltourismus. «Ängste sind oftmals irrational, dennoch müssen sie ernst genommen werden. Wenn sich viele Bürgerinnen und Bürger wegen der Migrationslage in Europa ängstigen und der Politik über weite Strecken nicht mehr trauen, kann dies nicht mit ein paar geschönten Worten und Statistiken vom Tisch gefegt werden. Und auch die Vergleiche von einigen Politikern, wonach man eher durch einen Verkehrsunfall anstatt eines Terroranschlags ums Leben kommen kann, ist an Überheblichkeit und Entfremdung von der Wählerschaft nicht mehr zu überbieten. Die rückläufigen Touristenzahlen in Paris, um nur ein Beispiel zu nennen, begründen auf Terrorangst und wer dies ignoriert ist eben ein Ignorant. Ich bin der Meinung, dass wir nüchtern und mit klarem Verstand den Tatsachen ins Augen sehen sollen und uns nicht scheuen, klar Position zu beziehen; auch wenn dies nicht allen passt.»

    Die Clarastrasse und der Messeplatz. Das Kleinbasel wird oft zu Unrecht als Problem-Stadtteil stigmatisiert.

    «Polizist sein ist keine politische Botschaft»
    Ebenfalls immer wieder ein Thema: Polizeigewalt und die latent herrschende Meinung, bei der Polizei wäre man aufgrund vieler Erfahrungen im täglichen Umgang mit einigen Gruppierungen eher «rechts» und neokonservativ eingestellt. Trifft dies aber auch wirklich zu oder ist die Polizei Community viel heterogener als viele vermuten? Markus Melzl: «Es gibt nicht den klassischen Polizisten oder die klassische Polizistin. Und Polizist ist auch keine politische Botschaft. Der oft gehörte Vorwurf, Polizeiangehörige seien grösstenteils irgendwie politisch rechtslastig eingestimmt, ist daher völlig absurd. Wer jedoch seine Mühe mit jeglicher Form von Rechtsstaatlichkeit hat und sich nicht klar zu Recht und Verfassung bekennen kann, sollte den Polizeiberuf nicht ergreifen.»

    Aktuell sei viel im Umbruch, so Melzl weiter. Die Europäische Union bekomme Risse und viele Nationen schauen zuerst für sich. Das hochgelobte Schengen-Dublin-Assoziierungsabkommen sei über weite Strecken nur noch Makulatur und deshalb wäre es wichtig, dass unsere Politiker vermehrt den Fokus auf die eigene Bevölkerung richten würde, betont er. «Wir müssen nicht nur unsere Grenzen wieder selbst schützen, sondern auch klar bestimmen, wen wir in unserem Land aufnehmen und wem wir die Aufnahme verweigern. Letztendlich steht irgendwann nicht weniger als der soziale Frieden auf dem Prüfstand.  Und als Nicht-EU-Staat muss die Schweiz in Brüssel auch nicht dauernd den Musterschüler spielen.»

    JoW

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